Jack Wolfskin, Dawanda und die Abmahnungen – Wie Funktioniert Internet?

Dieses Internet-Dings. Neuerdings heißt es Social Media oder Web 2.0. Alles das Selbe. Irgendwie. Glauben viele Unternehmen. Glaubt auch Jack Wolfskin (JW)?

Was geschah
Ein paar Anbieterinnen selbsthergestellter Produkte verwendeten darauf Tiertatzen (keine vom Wolf!). Sie verkauften ihre Produkte auf der Bastelcommunity Dawanda. Da kam die Firma Jack Wolfskin (die mit der Wolfstatze) und sandte ein Rudel Anwälte aus, um es den Handarbeiterinnen zu zeigen. Eine Aufforderung an die Dawanda-Betreiber, besagte Produkte sofort offline zu nehmen folgte. Die Herstellerinnen erhielten kostenpflichtige Abmahnungen zwischen 850 und 991 EUR.

Warum? Nun. Jack Wolfskin sagt, sie hätten das Markenrecht an der Tatze. An allen Tatzen? Ob vom Wolf, dem Bären, der Hauskatze, dem Tiger oder dem Schneeleoparden? Egal. Es besteht Verwechslungsgefahr mit der Wolfstatze. Das mag möglich sein. Juristisch wäre es zu klären, ob dem wirklich so ist. Sicher aber ist, die Bastlerinnen von Dawanda wollten sich nicht an den Markenwert JW heften, um damit Geschäft zu machen. Statt mit den Handarbetierinnen zu reden, schwingen die Anwälte die Abmahnkeule und versenden ihre kostenpflichtigen Bescheide.

Was jetzt geschieht
Share photos on twitter with TwitpicDie Handarbeiterinnen (es betraf wirklich nur Frauen) veröffentlichten diese Bescheide und fragen umher, ob noch weitere solche Zahlungsaufforderungen erhalten hatten. Ja, hatten sie. Es wurde auf Twitter veröffentlicht. Im Dawanda-Forum füllt das Thema bereits über 40 56 Seiten. Deutschlands Top-blog netzpolitik.org griff das Thema auf. Die Abmahnkeule macht rasend schnell im Internet die Runde. Beim Werbeblogger könnt ihr nachlesen, was gerade geschieht.

Durch diese Abmahn-Aktion schadet sich Jack Wolfskin selbst mehr, als sie durch die Abmahnwelle jemals gewinnen oder schützen konnten. Der Sichelputzer-Blog zeigt das Marken-Desaster recht gut auf. Zudem nehmen es die ersten Medien ausserhalb der Blog- und Web2.0 -Welt auf. Bei google-News stehen sie auf Platz 1. Spiegel-online recherchiert, Wikio zeigt die diskussion bereits auf.

Wie funktioniert das Internet?
Die Kätzchen-Pfoten-Basterlinnen fragten erst mal herum, ob sie denn alleine wären. Schnell merken sie, daß sie es nicht waren. Sie sind gut vernetzt mit anderen Basterlinnen. Diese sind vernetzt mit Menschen, die nicht basteln, aber JW kennen und das nicht fair finden (David vs. Goliath, man hilft doch immer zum „Schwächeren“, hm?). Sie erzählen es herum. Dafür nutzen sie ihre Blogs, ihre Kommentare, ihre Foren, Twitter, Ravelry, Dawanda, Facebook, MyVZ und und und. Innerhalb dieses einen Wochenendes schaffte es das Thema auf Platz drei bei Google (gleich hinter den Firmenseiten von JW). Es ist bei Wikipedia verlinkt. Es wird den Sprung in die Online-Medien schaffen, es wird den Sprung in die Print-Medien schaffen. Und das alles wußte JW nicht? Keine Präsenz im Web2.0? Keine Ahnung, wie Internet 2009 funktioniert?

Was bitte reitet eine Firma wie Jack Wolfskin, hier die Anwälte wie eine wilde Meute Wölfe loshetzen zu lassen? Hätte es aus hauseigenen Quellen nicht gereicht, mit den Frauen zu reden? Alleine die Kosten, dieses PR-Desaster wieder einzufangen sind höher, als jeder theoretische Schaden einer Marken-Verletzung durch selbstgebastelte Katzentatzen. Wie sieht es mit dem Verlust durch Kunden aus? In zahlreichen Blog-Kommentaren schreiben die Kunden erbost, sie würden keine Produkte mehr von JW kaufen. Sie wollten mit ihrem Geld nicht diese Firmen-Politk unterstützen. Bereits 100 Kunden, die wirklich nichts mehr kaufen, wiegen mehr als die Kätzchen-Pfoten-Handarbeiterinnen jemals an Markenschaden hätten anrichten können.

Lieber Manfred Hell,
du machst schöne Kataloge mit guten Geschichten. Ich lese sie gerne und verbringe damit mehr Zeit als mit den Produktseiten. Du reist gern mit Manfred Niedecken von BAP durch die Welt und engagierst dich sozial in diversen Projekten. Das, was du dir und deiner Marke mühsam aufbaust, kannst du mit deinen Anwälten an einem Wochenende einreissen. Unternimm doch mal eine Reise ins Internet und lasse es dir erklären. Verspreche den Handarbeits-Frauen von Dawanda, daß so was nicht mehr vorkommt, rufe deine Anwalt-Wolfsmeute zurück nach Hause und sag deinen Marketing-Leuten, sie sollen das Web2.0 erkunden. Da gibt es auch viel zu entdecken.

Ich selbst habe einiges von deiner Firma gekauft. Gerade eben meine Herbst-Winterschuhe. Ich verspreche dir aber: So lange du nicht komplett zurückruderst, den Handarbeiterinnen versicherst, daraus gelernt zu haben und versprichst, künftig mehr Fingerspitzengefühl zu zeigen, kaufe ich von dir nichts mehr.

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JW, Dawanda und Shakira.com
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