Bei meiner Gongausbildung erzählte mir mein Lehrer eine Geschichte, eine Parabel der Sikhs aus dem Norden Indiens. Er erklärte uns damit Yoga.
Die „Yoga-Geschichte der indischen Bauern“
Im Norden Indiens hatten die schlauen, aber einfachen Bauern einen Trick, wie sie ihre Felder bestellten, beackerten und bearbeiteten. Sie spannten vor den Pflug eine Kuh und ein Kamel. Beide können sich überhaupt nicht ausstehen und riechen. Sie zogen und zerrten am Joch, das sie beide verband. Jeder wollte führend sein. Einmal die Kuh, dann das Kamel. Keiner von beiden ordnete sich dem anderen unter. Der Bauer stand hinter dem Pflug und lenkte sie nur in die gewünschte Richtung. Durch das ungleiche Gespann unter seinem Joch bekam er sein Feld schneller beackert, als hätte er zwei Kühe oder zwei Kamele eingespannt.
Was sagt uns das? Nun, Yoga heißt zum einen übersetzt „Joch“. Das Joch wird seit alters her zum Verbinden verwendet. Bauern verbinden das Tier mit dem Pflug. Sie verbinden aber auch die Tiere miteinander. Wir selbst haben ebenfalls zwei eng verbundene aber dennoch völlig gegensätzliche Einheiten in uns. Den Körper und den Geist. Dualismus. Gegensätzlichkeit. Weiss und Schwarz. Ying und Yang. Mann und Frau.
- Das eine Ziel von Yoga ist es, den Körper „fit“ zu machen, um meditieren zu können, um physisch überhaupt in der Lage zu sein, lange zu sitzen, lange keine Nahrung zu benötigen, lange seinen Darm und die Blase nicht entleeren zu müssen, usw.
- Das andere Ziel ist den Geist zu entleeren, ihn ebenfalls für die wirkliche und tiefe Meditation zu befähigen. Patanjali beschreibt das in seinem 2. Yoga Sutra „yogas chitta vritti niroda“. Yoga ist die Stilllegung aller Gedankenwellen (Es gibt noch 1000 sehr sehr ähnliche Übersetzungen).
Dieser „höhere“ Sinn, wird durch die modernen westlichen Vorstellungen von anspruchsvollen Übungen in ansprechenden Chill-Out Spa-Zentren oftmals etwas in den Hintergrund gedrängt. Keine Mediation, keine Mantras singen. Das schreckt ab und ist nicht gut fürs Geschäft. Ich sage dazu aber: Egal. Jeder kleine Schritt und sei er noch so klein, ist ein Schritt. Geht also hin und macht ihn. Verbinde Geist und Körper, Anspannung und Entspannung, Streß und Loslassen.
Überall steckt der Dualismus. Die Verbindung vom Kamel und der Kuh. Diese Verbindung bringt den Bauern weiter. Die Anspannung macht völlige Entspannung möglich. Loslassen kann man, wenn man etwas hat, was man loslassen kann.