Gelesen: Yoga für Skeptiker

Ich erhielt ein Rezensionsexemplar des neuen Yoga-Buches von Ulrich Ott: Yoga für Skeptiker. Ein Neurowissenschaftler erklärt die uralte Weisheitslehre.

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Buch-Rezension Yoga für Skeptiker von Ulrich Ott

Pünktlich zum Urlaub eine wunderbare Lektüre. Der Versuch, Yoga wissenschaftlich zu erklären und mystisches „nachzuweisen“ – so dachte ich mir das. In früheren Jahrhunderten galt als „wahr“, was die Kirche (katholisch wie protestantisch) als „wahr“ erklärt hat. Wir alle kennen das Beispiel der runden Erde vs. flache Scheibe oder das heliozentrische vs. geozentrische Sonnensystem. Heute nimmt „die Wissenschaft“ diese Rolle ein. Was wissenschaftlich „bewiesen“ ist, gilt als wahr. Mit dem Satz: Das ist wisschenschaftlich überhaupt nicht nachgewiesen, lässt sich (fast) alles widerlegen. Ich bin der Wissenschaft gegenüber entsprechend skeptisch, aber das ist ein anderes Thema.

Aufbau des Buches
Ulrich Otts roter Faden durch das Buch sind die acht Yoga-Stufen. Sein Bezug ist Patanjali und seine Yoga Sutras. Er erläutert kurz historisch die Yoga-Quellen, seine Autoren und Querverweise auf anderen Traditionen wie Buddhismus oder religiöse und nicht-relegiöse Zusammenhänge.

Der Autor vergleicht verschiedene Übersetzungen aus dem Sanskrit (teilw. mit Umweg aus dem Englischen) und zeigt verständlich auf, warum er sich auf bestimmte konzentriert hat.

Dem folgt ein Yoga-Praxis-Teil mit einfachen Übungen, die man ohne weitere Vorkenntnis machen könnte. Den dritten Teil betitelt Ott als die Wissenschaftliche Vertiefung. Hier sind Interviews mit Wissenschaftlern, die sich mit Themen wie Kundalini, Widergeburt oder Yoga-Therapie befassen.

Mein Mehrwert
Ich will mehr auf meine persönliche Erfahrung und Meinung zu dem Buch eingehen. Ott schreibt sehr klar und einfach verstänlich. Keine spirituellen Formulierungen und auch keine wissenschaftliche Schachtelsätze. Das motiviert auch Einsteiger.

Ein weiterer Pluspunkt ist die klare Linie entlang der Schriften von Patanjali. Er ist neutral und hängt nich an einer bestimmten Yoga-Tradition mit „eigenem“ Lehrer wie Yogi Bhajan oder Bikram und Co. Er bleibt immer am Ziel von Yoga dran: dem Stilllegen der Gedankenwellen im Geist und der Vorbereitung der Yoga-Übungen für lange Meditationen, um dieses Ziel zu erlangen. Er geht auch klar darauf ein, was ist, wenn man dieses Ziel erreicht hat. Hier wurden mir erst die Zusammenhänge klar und wie einfach das Yoga-System doch aufgebaut ist.

Das hätte ich mir mal bei meiner eigenen Yogalehrer-Ausbildung gewünscht. Jetzt weiß ich erst, wie viel einfacher man das hätte machen können.
Yoga-Übungen
Im zweiten Teil des Buches sind einfache Übungen zu sehen. Der Autor beschreibt kurz die Wirkung und zeigt Hilfsstellungen und „Gefahren“ bei falscher Ausübung aus. Da ich aus der Kundalini-Yoga Tradition komme, helfen die Asanas nicht so viel weiter. Sie sind gute Aufwärm- und Vorbereitungsübungen für Yoga-Sets und Meditationen und sind mehr dem Hatha-Yoga entliehen.

Hier bin ich nach wie vor der Meinung, daß für Yoga-Interessierte ein Buch höchstens die Inspiration zu Yoga sein sollte. Will er wirklich Yoga praktizieren, ist in jedem Fall ein Unterricht bei einem ausgebildetem Yoga-Lehrer jedem Buch oder DVD oder Online-Kurs vorzuziehen. Und wer vom Unterricht nicht so überzeugt ist, probiere einfach verschiedene Lehrer, Kurse oder Yoga-Traditionen aus.

Wissenschaft
Ach ja. Durch den meiner Meinung nach verwirrenden Maintream-Titel „Yoga für Skeptiker“ und der Fusszeile, dass der Autor Neurowissenschaftler ist, mag der Eindruck entstehen, Yoga und und seine Wirkungen werden nun wissenschaftlich erklärt. Das werden sie nicht. Manchmal bringt Ott den Hinweis, daß es hier und da eine Untersuchung dazu gibt (z.b. Blutdrucksteigerung bei Pranayama durchs rechte Nasenloch) aber im großen und Ganzen ists ein Yoga-Buch, das ohne spirituelle Umschweife erkärt, um was es geht.

Die Interviews am Ende des Buches gehen auf verschiedenen „Phänomene“ wie die Kundalini-Erwachung oder Reinkarnation ein. Dadurch, daß die Befragten die Aussagen treffen, kann Ott seine neutrale Haltung, die er das Buch hindurch pflegt, aufrecht halten. Sehr geschickt.

Trotz massiv steigender Anzahl an wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema Mediation und Yoga sind sich die Interviewpartner einig: Es fehlt am Geld und breitem Interesse, an den Wirkungen von Yoga wissenschaftlich belastbar zu forschen und reproduzierbare und damit „nachweisbare“ Ergebnisse zu erzielen. Yoga und seine Wirkungen hängen zudem sehr komplex und individuell vom Praktizierenden und seinen Umständen ab.

Und damit schliesst sich der Kreis, warum in dem Buch nicht so viel über „wisschenschaftliche Nachweise“ steht. Das liegt nicht am Buch, sondern am Titel, der eher verkaufsfördernd als inhaltswidergebend ist.

Fazit:
Das Buch kommt in unsere Familien- Yoga-Bibliothek. Auch als Lehrer, der vieles schon kannte, sind doch zahlreiche Inspirationen und Zusammenhänge dabei, die ich bei meinem Unterricht einfliessen lassen möchte. Ulrich Otts größter Verdienst ist die neutrale und klare Darstellung von Yoga, seiner Herkunft, Ziele und Wirkung. Er zeigt klar auf, daß Yoga kein Life-Style (Anhaftung an Äusserem), Sport oder anspruchsvolle Gymnasikt ist – und vor allem: Nicht aus dem Praktizieren von Körperübungen besteht. Ein ganzheitliches System mit klarem Ziel und darauf ausgerichteten Übungen, es zu erreichen.

In meinen Unterricht und Gongmeditationen kommen vornehmlich Frauen. Männer werden nicht selten „überredet“ mal mitzukommen. Für sie kann ich mir das Buch gut vorstellen. Es inspieriert wirklich, es mit Yoga mal zu probieren.

Weiterführende Webseite
Ulrich Ott hat zum Buch noch eine begleitende Webseite mit weiterführenden Links, Interviews und Infos eingerichtet. Hierüber kann man auch in Kontakt mit ihm treten und Feedback zum Buch geben.

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